Anton Schindler, Brief an Franz Gerhard Wegeler in Koblenz, Münster, 20. Dezember 1834, Autograph
W 84
Sammlung Wegeler
Adresse: "Münster. / An H=r Wohlgeborn den Herrn geh: Med: Rath / D=or Wegeler / in / Coblentz."; Poststempel, Postvermerke; Datierung: "Münster den 20. Dec: 1834."
Textanfang: "Ihr verehrtes Schreiben vom 28. Okt. hat mich"
Eigenhändiger Brief, datiert, mit Unterschrift.
W 80-84 in Umschlag mit der Aufschrift Franz Gerhard Wegelers "Schindler.". Das kartonartige Doppelblatt diente zuvor als Notizpapier.
Provenienz: Familie Wegeler, Koblenz
Zugang: 1998, Dauerleihgabe der Julius-Wegelerschen-Familienstiftung
Schindler erklärt erneut, warum er noch nicht an der Beethoven-Biographie arbeitet. Aus Rücksicht auf noch lebende Zeitgenossen will er einige Jahre verstreichen lassen (vgl. W 82). Auch fehlen ihm noch Informationen aus Wien. Er hofft, auf der Reise dorthin Wegeler einen Besuch abstatten zu können und ihm abschriftliches Material zu Beethoven mitzubringen. Schindler kommentiert einen Artikel der Leipziger Allgemeinen musikalischen Zeitung: "Es gibt Leute in Wien, die sich ein Geschäft daraus machen, Äußerungen und Behauptungen dem guten Beethoven in den Mund zu legen, die seiner Natur u seiner Bildung schnurstracks zuwider sind. Diese Halunken, die sich so arg an B. versündigt haben, geben sich jetzt nach seinem Tode als seine Freunde aus, was sie bei seinen Lebzeiten nicht gewagt hätten, u dies alles geschieht im Interesse der Haslinger'schen Musikhandlung. Denen habe ich ein derbes in jenem Schreiben versetzt." Zur Erläuterung der oben zitierten Anspielungen Schindlers: Der erwähnte Artikel in der Leipziger Allgemeinen musikalischen Zeitung stammt von Carl Borromäus von Miltitz (Ueber den Werth der contrapunctischen Studien) und erschien am 26. November 1834 (Jg. 36, Nr. 48, Sp. 801-813). Er stellt bereits eine Reaktion auf einen Artikel (anonym erschienene Rezension von Seyfrieds Buch "Ludwig van Beethoven's Studien", Wien 1832) des Wiener Allgemeinen musikalischen Anzeigers vom 4. April 1833 (Nr. 14) dar. In beiden Artikeln wird eine Äußerung Beethovens zitiert, man müsse Harmonielehre und die Kunst des Kontrapunkts schon mit sieben bis elf Jahren erlernt haben, damit, wenn Phantasie und Gefühl erwachen, man schon regelrecht zu erfinden gewöhnt sei. Schindler hält den Beethoven in den Mund gelegten Satz für erfunden und führt in seiner Kritik (An die verehrliche Redaction, datiert mit "Münster, den 16. Dec. 1834"), erschienen am 7. Januar 1835 in der Allgemeinen musikalischen Zeitung (Jg. 37, Nr. 1, Sp. 13-16), einige Gegenbeweise an. Schindler berichtete auch über Wegeler: "Ueber die musikal. Bildung Beethoven's wird hoffentlich sein Jugendfreund, der geh. Med. Rath Dr. Wegeler in Coblenz in seiner nächstens erscheinenden Abhandlung über Beeth. Jugendzeit auch sprechen, da er meine Herausgabe aus Gründen nicht mehr abwarten kann. Bereits setzte er mich hiervon in Kenntnis. Vielleicht erwähnt er auch darin, falls es ihm wichtig erscheint, dass B. in dem Alter von 12 Jahren auch noch keinen "cul de plomb" hatte und stets alles Ernstes an's Klavier getrieben werden musste, viel weniger also noch Contrapunkt studirte. So erzählte mir Vater Ries in Bonn." Schindlers Kritik schließt mit einer Warnung vor Wiener Anekdoten über Beethoven und seiner in den folgenden Jahren ständig wiederholten Selbstempfehlung: "Ueberhaupt glaube ich alle Freunde und Verehrer B.'s aufmerksam machen zu müssen, von allen den Anekdoten und dem Geschreibe über ihn nur sehr wenig, oder besser, gar nichts zu glauben, denn es ist beinahe Alles reine Erdichtung und untergeschoben. In Wien nennt sich jetzt Mancher Freund und Vertrauter Beethoven's und seiner Meinungen ... Diese Freundschaften reduzirten sich alle, ein oder zwei ausgenommen, auf Zusammentreffen, häufig noch zufälliges, in Kaffee- und Gasthäusern ... Wenn diese Herren bedächten, dass doch noch Einer lebt (wenn auch jetzt in einem fernen Theile von Deutschland), der nach jahrelangem Zusammenleben dem grossen Meister in seiner Todesstunde die Augen zudrückte und beinahe über Alles Rede und Antwort geben kann, was diesen als Mensch und Künstler betrifft, würden sie wohl noch fortfahren, sich mit seiner Freundschaft u. gar seinem Vertrauen zu brüsten, ohne Scheu, dass ihnen dieser Lebende offen entgegen tritt und ihnen in's Gesicht sagt: Meine Herren, Sie lügen!?!" (F.G.)
Literatur: Grigat, Die Sammlung Wegeler ..., Bonn 2008, darin: Die Genese von Franz Gerhard Wegelers Beethoven-Biographie in den Jahren 1827 bis 1845 und Nr. J10
Nachweis: Grigat J10
Schlagwörter:
Schindler, Anton / Brief / Wegeler, Franz Gerhard / 1834
Beethoven, Ludwig van / Biographie / Schindler, Anton / Plan
Schindler, Anton / Reise / Wien / Plan
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