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Ophoven, Marie
[Briefe / Hüffer, Julia / 1845]
Brief an Julia Hüffer in Münster, Eschweiler-Aue, 15. August 1845. – Autograph
Eschweiler-Aue, 15.08.1845. – 1 Doppelblatt, 1 Blatt, 6 beschriebene Seiten. – Tinte ; 21,5 x 13,7 cm. – Dt.

Später mit Bleistift ergänzte, nicht ganz richtige Datierung von Adolf Ophoven: "10. 11. u. 12. Aug. 1845"

Textanfang: "Gestern Abend glücklich wieder hier eingetroffen"

Eigenhändiges Schreiben, undatiert, mit Unterschrift. Die Datierung ergibt sich aus dem Inhalt.

Provenienz: Sybille Ophoven, Bonn

Zugang: 07.02.2017, Geschenk Bürger für Beethoven

Marie Ophoven geb. Hüffer (1814-1884) nahm zusammen mit ihrem Mann im Rahmen eines Verwandtenbesuches am ersten Bonner Beethovenfest 1845 teil. Vom 11. bis 13. August besuchte sie mehrere Konzerte und erlebte die Enthüllung des Beethoven-Denkmals auf dem Bonner Münsterplatz am 12. August. Nach der Rückkehr an ihren Wohnort Eschweiler-Au schilderte sie am 15. August ihre Eindrücke in einem ausführlichen Brief an ihre in Münster lebende und aus Bonn stammende Stiefmutter Julia Hüffer geb. Kaufmann.

Text: "Liebste F[rau] Mama! Gestern Abend glücklich wieder hier eingetroffen, ist es heut mein erstes Geschäfft Dir zu schreiben und einen so viel wie möglich vollständigen Bericht über das stattgehabte Fest abzustatten. Wäre ich nur nicht gleich bei meiner Ankunft in Bonn durch die Nachricht betrübt worden, daß auch den kleinen Franz der abscheuliche Husten ergriffen habe, dieser Gedanke war mir gar zu traurig und hat mich oft mitten in meinem Vergnügen gestört; zwar gab uns die Großmama die beruhigende Aussicht, daß zuweilen gerade die ganz kleinen Kinder nur wenig davon zu leiden hätten, noch im vorigen Jahr hätte das 2 monatliche Kind des Herrn Kalt ihn ganz glücklich überstanden, möchten wir doch dasselbe hoffen und nicht getäuscht werden!!! Einen solchen Zusammenfluß von Künstlern, als dieses Fest herbeiführte hatte ich nie gesehn und werde ihn auch wohl nicht mehr so zu sehn bekommen, Spohr, Lis[z]t, Meyerbeer, Gantz, Mantius, Staudigl, die Garzia, Novello, zwar nicht die berühmte, sondern nur die Schwester, dann die Tusseck, Kratky und Schloß, alle diese und noch viele mehr untergeordnete bewegten sich in diesen 3 Tagen beständig vor unsern Augen, einzig schade nur, daß man bei den meisten nur mit dem bloßen Anblick vorlieb nehmen mußte, und nichts aber auch gar nichts von ihnen zu hören bekam. Dies war wohl der größte Fehler bei diesem sonst so herrlichen Feste, daß die Soloparthien, besonders was den tenor betrifft so schlecht besetzt waren, und man, obgleich die schönen Kräfte da waren, sie nicht benutzte, aus welchem Grunde? Dahinter kam man nicht so recht, so hat Mantius nur ein Mal glaube ich in den Proben gesungen, niemals aber haben wir ihn bei den Aufführungen gehört, nach einigen hatte der König ihm nicht zu singen erlauben wollen, nach andern war die Einladung vom Comité derartig wenig höflich eingerichtet gewesen, daß er sie nicht hat annehmen wollen. Von der Pracht des Orchesters und der Chöre, in denen alle großen Kräfte mitwirkten kann man sich nicht leicht einen Begriff machen, doch ich muß jetzt um besser und folgerechter zu erzählen an die einzelnen Tage übergehen. Am Sonntag trafen wir ein, nachdem wir zuvor bei Steinberger zu Mittag gegessen, die wir zu unserer großen Freude Alle wieder wohl antrafen, auf der Gemäldeausstellung, die wir mit ihnen besahen, hatte ich das große Vergnügen mehrere Münsteraner, Toni und Clärchen Hartmann, Fr. Malinkrodt und Franz Olfers wiederzusehn. Sie konnten mir noch nicht so viel erzählen, wie ich gern gehört hätte, denn es war Zeit zum Aufbruch, man mußte genau in diesen Tagen für die Eisenbahn aufpassen. In Bonn angekommen mit einem ungeheur großen Convoi, war die Begrüßung bei der lieben Großmama die aller freundlichste und herzlichste. Bald war es jetzt schon Zeit zum ersten großen Conzert in der Festhalle. Wundervoll war unter Leitung des Herrn Spohr die Aufführung der Messe No 1, und dann die große herrliche 9te Sinfonie mit Chören; der Jubel und Enthusiasmus stieg aufs höchste, ich bedaurte nichts mehr, als daß kein Sohn oder Enkel existirte, um zugegen sein zu können. Dies war der erste aber auch eigentlich der schönste Abend. Der einzige Mangel wie ich schon oben sagte in der Tenorparthie, die von einem ganz untergeordneten Tenoristen der Cöllner Bühne, den dort Niemand so zu sagen hören will, gesungen wurde. Doch man vergaß ihn über dem herrlichen Ganzen. Am Montag Morgen gegen 12 Uhr traf von Cöln das neue Dampfschiff ein, welches jetzt unter Cannonendonner und Music von seiner Pathin, Fräulein Anna Holweg den Namen Ludwig van Beethoven erhielt und darauf mit einer zahlreichen Bürgergesellschafft die Fahrt nach Nonnenwerth antrat. Auch wir wohnten dieser Taufe bei und hatten vorher auch Beethovens Geburtshaus, das aufs Schönste verziert war in der Rheingasse besucht. Mit einer großen Marmorplatte ist "Ludwig van Beethovens Geburtshaus" davor befestigt. Der alte Fischer zeigte uns den Platz wo seine Wiege sollte gestanden haben, der war noch in der vorigen Woche von einer Engländerin geküßt worden. Am Nachmittag war das Eisenbahnbureau beständig belagert um Karten für Brühl zu bekommen, Beethoven ruhte für den Abend und nun zog die Menge der Königinn von England entgegen, wir schlossen uns mit Gustchen und Leu, Lina war zu müde der großen Masse an, und gelangten nachdem wir seit fünf Uhr an der Station in Bonn gewartet hatten erst um 8 Uhr zur Abfahrt, von dem Gewirr und Gedränge um die Karten zu erhalten, kann man sich kaum ein Begriff machen, ein wahres Wunder, daß während dieser ganzen Zeit kein Unglück passirte. Gerade zur rechten Zeit trafen wir in Brühl ein, wo die Music von 11 Regimentern und 400 tambours der eben eingetroffen Königinn Victoria ihre Huldigung darbrachten; es war recht schön zu hören und das erleuchtete Schloß nahm sich gut aus, wir waren so glücklich unsere Karten gleich genommen zu haben und konnten so gegen halb 12 wieder zurück sein, während Andre bis 3 Uhr Nachts in Brühl verweilen mußten, eine derartige Menge war dort versammelt. Am Dienstag Morgen gegen 9 Uhr setzte sich der Zug in Bewegung, um erst in der Münsterkirche der Aufführung der Messe No 2. beizuwohnen, wir hatten das furchtbare Gedränge gefürchtet, welches auch derartig statt hatte, daß die Damen theilweise ohne Hüte, Halstücher, ja sogar Schuhe dahin gelangten, und einige in Ohnmacht fielen, überhaupt die Aufmerksamkeit durch diese vorkommenden Unruhen von der sonst herrlichen Aufführung abgelenkt wurde; nun nach beendigter Messe nahmen Alle ihre Sitze rings um das Monument ein, und man harrte den Majestäten entgegen, sie kamen erst nach 12 Uhr, wir sahen sie vortrefflich hereinrücken, die beiden Königinnen in einem Wagen, das Hurrah war nicht übermäßig; jetzt wurde zur Festcantate des Herrn Breitenstein geschritten, es war erbärmlich eben so glaube ich seine Rede, aber prächtig war der Augenblick, wo die Hülle fiel, unter einem ungeheuren Jubelruf der Menge, Music und Geschützessalven, zeigte Beethoven sich der ungeheurn Versammlung, freilich kehrte er den auf Fürstenbergs schön verziertem Balkon, versammelten Herrschafften den Rücken. Bald verlief sich jetzt die Menge und Beethoven stand allein, nur noch von einigen Kritikern umstellt, von diesen fehlt es nicht, einer findet den einen Arm zu kurz, der andere den anderen zu lang. den Ausdruck zu wild, etc, etc, vielleicht, daß die Statue sich noch vortheilhafter ausnähme, wenn sie noch um einen oder zwei Fuß erhöhter stände. Am Dienstag Abend zweites Conzert, eröffnet mit der schönen Ouvertüre zu Coriolan, unvergleichlich schön und ausdrucksvoll spielte Lißt an diesem Abend, das große Conzert von Beethoven, der Applaus wollte auch gar nicht enden; zwei Chöre aus Christus am Oelberg gingen vortrefflich, die Tusseck sang darin vorzüglich, Herr Staudigl die Baßparthie, Tenor abermals sehr schwach. nun kamen noch Quartett und finale aus Fidelio, und die herrliche und eben so schön aufgeführte C mol Sinfonie, unter großem Jubel. Für den nächsten Morgen 9 Uhr war das Künstlerkonzert bestimmt, von dem einige sich den größten Genuß versprachen; ohne Zweifel war es auch das besuchteste, denn sicher belief sich die Zahl der Zuhörer weit über 3000, die hohen Herrschaften wollten demselben beiwohnen, und deshalb wurde bis halb 11 Uhr, wir waren schon um halb 9, andere schon um 8 Uhr da, auf Sie gewartet. Da erschien der Befehl doch nicht auf sie zu warten, und so begann das Conzert mit der Festkantate des Herrn Lißt, die die Leute nicht übermäßig entzückte, obschon sie einige schöne Stellen enthält. Gerade war sie glücklich beendigt, als vor der Thür einiges Geräusch hörbar wurde und sämmtliche Herrschafften trafen ein, Herr Lißt dachte es wäre zu grausam Ihnen den Genuß seiner Cantate vorzuenthalten, und so begann sie denn aufs Neue, und wir hatten den Vortheil sie zweimal zu hören. Jetzt erfolgte ein Violoncell Solo vom Berliner Hofvioloncellisten Ganz, der ausgezeichnet schön spielte, dann sagen die Damen Kratky und Novello Mad. Pleyel spielte sehr schön und ausdrucksvoll das große Clavierkonzert von C. M. Weber. Ein junger Künstler, Herr Möser, spielte ein Violinkonzert, das mit vielem Beifall aufgenommen wurde. Fräulein Schloß sang äußerst schön ein Lied von Mendelssohn, und nun erfolgte noch ein Violoncellkonzert, das jeder Mann gern geschenkt hätte, um dafür den Staudigel oder die Tusseck zu hören, die auf dem Programm angezeigt standen, aber wegen Mangel an Zeit, denn schon war es 1 Uhr vorüber, nicht zum Auftreten kamen, worüber das Publikum sehr unzufrieden war. Noch darf ich der Ouvertüre zu Egmont nicht vergessen, die mit der äußersten Präzision unter Leitung von Herrn Spohr, aber wie mir schien nicht mit ganz gehörigem Feuer aufgeführt wurde, die Musiker sollten auch wohl nach gerade angefangen ein klein wenig zu ermüden. Am Abend war der Bal, der recht schön gewesen wäre, wenn nur nicht der furchtbare Staub dort regirt hätte. Zu gleicher Zeit war auch Hofkonzert in Brühl, wo denn wohl alle Künstler sich werden dürfen haben hören lassen, gerade zu diesem früh genug war auch die berühmte Jenni Lind angekommen; von dieser Künstlergesellschafft soll am Freitag in Coblenz bloß für das Hofpersonal des Königs Lieblingsoper Norma aufgeführt werden. Jetzt bin ich so weitläufig gewesen, daß ich Deine Augen um Entschuldigung bitten muß. Am andern Morgen nach beendigten Festlichkeiten traten wir voll des herzlichsten Dankes gegen die liebe Großmama und das ganze Hauspersonal die Rückreise an. beide Ophoven und ich kamen dahin überein, daß wir unmöglich hätten besser empfangen können, so überaus freundlich und herzlich waren sie alle. Die Dame Liese sagte mir mit Thränen in den Augen, Madämchen, was hat sie für einen guten Mann gekrigt, ich habe es immer mit den Franzosen gehalten, konnte früher auch einen bekommen, aber wenn ich so einen haben könnte, den nähme ich noch auf meine alten Tag. Gerade kamen Gustchen und Ophoven dazu, und sie widerholte was sie gesagt, wo denn alle Übrigen ihr Recht gaben und ich von Herzen auch. Zu unsrer größten Freude trafen wir den kleinen Hermann gesund und vergnügt wieder an, ich hätte glaube ich auch für hundert Thaler keinen Tag mehr zugesetzt, eine solche Sehnsucht hatten wir beide. Tausend Grüße von Ophoven an Dich und Papa, von mir an Papa, Großmama und alle Bekannte. Wenn Julchen doch recht bald schreiben könnte, wie es Euch sämmtlich geht, und vorzüglich dem kleinen Franz, und wie es mit Tante Marie geht. Von ganzem Herzen Deine Tochter Marie. Bekäme ich doch nur bald recht bald Nachricht von Euch, und keine betrübte, wenn es nur einige Worte sind. ich hoffe noch immer das beste. Ich hatte noch vergessen Dir zu sagen, daß Onkel uns ganz dringend nach dem alten Bau invitirt hatte, einen Sonntag sind wir da gewesen und hatten da versprechen müssen, später noch auf einige Tage wider zu kommen, nun ist das Wetter aber so schlecht, das nichts daraus wird, und dann kommt auch was uns ganz besonders angenehm ist, in der nächsten Woche Linchen auf einige Zeit, wenn sie doch Anna schon mitbringen könnte, das wäre gar zu schön. Doch die wird noch wohl fürs erste beim Herrn Doctor bleiben müssen. Auch Frau Sethe, Frau Lombard. Frau Karis Bertha Hartmann Herr Theissing, Alle habe ich gesehn. N. b. Ich glaube, daß Onkel Wilhelm jetzt recht hat"

Siehe dazu die Kommentare von Stephan Eisel<http://www.buergerfuerbeethoven.de/clubs/beethoven/news/Ophoven-Dokumentation.pdf>


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