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Friedrich Schiller, Sinnsprüche, aus "Die Sendung Moses", Autograph Beethovens

W 23

Sammlung Wegeler

Schiller, Friedrich
[Die Sendung Moses / Ausw. - Abschrift]
Sinnsprüche, aus "Die Sendung Moses". – Autograph Beethovens
ca. 1819. – 1 Doppelblatt, 1 beschriebene Seite, 3 Leerseiten + Bilderrahmen (beiliegend). – Tinte ; 20,4 x 15,4 cm. – Dt.

Textanfang: "Ich Bin, Was da ist". – "Ich bin alles, Was ist, Was war". – "Er ist einzig von ihm selbst"

Eigenhändiger Auszug Beethovens aus Friedrich Schillers Aufsatz "Die Sendung Moses". Beethoven kennzeichnet die Sprüche mit Anführungszeichen als Zitate.

Zur Datierung a) über das Wasserzeichen (M. Ladenburger): Das Wasserzeichen von W 23 ist mit ziemlicher Sicherheit das A-Sieb, von dem es auch ein spiegelbildliches B-Sieb gibt: HCB Br 37, BGA 1306, Brief an Bernard, zu datieren in den Juni 1819. Das Wasserzeichen entspricht im Briefwasserzeichenkatalog von Schmidt-Görg der Nr. 294. Der dort noch genannte Brief BH 37 hat ein völlig anderes Wz. Sieb A und Sieb B stimmen vom Motiv her völlig überein. Lediglich die Gesamthöhe des Wasserzeichens differiert bei W 23: 120 mm, Br 37 125 mm. Das Wasserzeichen ist ein Posthornschild, unten mit einer 4 und Winkel sowie direkt darunter dem Namen VAN DER LEY. Weitere Briefe mit diesem Wasserzeichen sind nicht bekannt. b) Beethovens Schriftzüge passen zur Datierung ca. 1819. c) Ludwig Nohl (Beethovens Brevier, 1870, S. 107-108) behauptet, er habe das Original noch bei Schindler gesehen und besitze selbst davon eine Pause auf Ölpapier mit dem Datum 26. Juli 1824. Ob sich das Datum auf die Anfertigung des Originals oder nur auf die (heute nicht mehr nachweisbare) Pause bezieht, bleibt unklar.

Carl Wegeler (siehe W 271) erwarb das Manuskript für seine Sammlung am 17.11.1911 bei einer Auktion des Berliner Antiquars Leo Liepmannssohn. Damals war das Manuskript gerahmt. Auf der Rückseite des inzwischen entfernten Bilderrahmens befindet sich ein Exlibris: "EXLIBRIS MUSICIS / ALFRED BOVET." Die zum Exlibris gehörende Jugendstildarstellung ist bezeichnet mit "E D. d. j. 99". Mit handschriftlichem Vermerk von Carl Wegeler: "bei Liepmannssohn in Berlin angesteigert am 17. Nov. 1911 für M 5070.- durch Kom. Rat Carl Wegeler". Später Ergänzung der Signatur mit Bleistift durch Julius Wegeler (1887-1961): "Sammlung Wegeler N=o 23".

Zu Beethovens Vorlage: Es gibt keinen eindeutigen Hinweis darauf, welche Quelle Beethoven für seine Abschrift vorlag. Kannte er Schillers Aufsatz "Die Sendung Moses" aus der Zeitschrift "Thalia" (Heft 10, 1790, erster Abdruck) oder aus den "Kleinen prosaischen Schriften" (1792, unveränderter zweiter Abdruck) oder in einer der Wiener Kommissionsausgaben von Anton Doll (1810 und 1817)? Beethovens Abschrift weicht an zwei Stellen von Schillers Text (Fassung 1790/1792) ab: Bei Beethoven fehlt das erste "und" des zuletzt zitierten Satzes; das zweite "und" kürzt er mit "u." ab. In der Sekundärliteratur (z.B. Fischer/Kock, 1970, und Hans Schmidt, 1973) kursiert fälschlich die Vorstellung, Beethoven habe nicht auf Schiller, sondern auf die Schillers Schrift zugrunde liegende Veröffentlichung des Philosophen Karl Leonhard Reinhold zugegriffen. Unter dem Pseudonym Bruder Decius war 1788 in Leipzig dessen Buch "Die hebräischen Mysterien oder die älteste religiöse Freimaurerei" erschienen. Auch Schindler (Faksimile 1840 in der 1. Auflage der Beethoven-Biographie ohne Kommentar; falsche Zuweisung 1845 in der 3. Aufl. der Beethoven-Biographie) und Nohl (Brevier 1870) erkannten die Herkunft der Sätze nicht, deuteten sie aber als ägyptische Weisheit. Über die Herkunft und Deutung der Sprüche bei Decius und Schiller siehe Jan Assmanns 2001 erschienene kommentierte Ausgabe, über die Verbreitung des Gedankenguts bei Herder (1774), über Kant (1790) bis Novalis (1800) siehe Christine Harrauers Aufsatz ("Ich bin, was da ist..." Die Göttin von Sais und ihre Deutung von Plutarch bis in die Goethezeit, in: Wiener Studien Bd. 107/108 (1994/95), S. 337-355), über ihre Verwendung im freimaurerischen Umfeld siehe Hans-Josef Irmen, Beethoven in seiner Zeit (Zülpich 1998), S. 316ff.

Provenienz: Familie Wegeler in Koblenz, Leo Liepmannssohn in Berlin (Auktion 24.11.1902, "Catalogue d'un très beau choix d'Autographes de Musiciens (Manuscrits de Musique, lettres et pièces diverses) formant la collection de feu Mr. Alfred Bovet (de Valentigney). Première partie: Compositeurs et Virtuoses", Los 75 [hier aber explizit nur ein Faksimile, da die Familie das Original noch behalten wollte]; Auktion 17./18. November 1911, Katalog 39 "Autographen-Sammlungen: Ignaz Moscheles und Reserve Alfred Bovet bestehend zum größten Teil aus wertvollen Musikmanuskripten und Musikerbriefen", Los 197), Alfred Bovet, Rudolph Lepke in Belrin (Auktion 23.11.1904, "Ölgemälde und Antiquitäten aus dem Nachlass des [...] Herrn Rudolph Lepke [...]", Los 740), August Nowotny in Altrohlau, Marie Egloff in Mannheim, Anton Schindler

Zugang: 1998, Dauerleihgabe der Julius-Wegelerschen-Familienstiftung

"Ich Bin, Was da ist" / "Ich bin alles, Was ist, Was / war, und Was seyn wird, / Kein sterblicher Mensch / hat meinen Schleyer / aufgehoben" / "Er ist einzig von ihm selbst, / u. diesem Einzigen sind / alle Dinge ihr Daseyn schuldig".

Diese Sprüche waren nach Schindler Beethovens "Glaubensbekenntniß", sie befanden sich an seinem Arbeitsplatz. Sie entstammen einem Aufsatz Schillers über die Gründung des jüdischen Staates durch Moses, in dem auch Natur und Charakter der ägyptischen Weisheit und Religion dargestellt werden. Schiller führt aus: "Unter einer alten Bildsäule der Isis las man die Worte: "Ich bin, was da ist", und auf einer Pyramide zu Sais fand man die uralte merkwürdige Inschrift: "Ich bin alles, was ist, was war und was sein wird, kein sterblicher Mensch hat meinen Schleier aufgehoben." (...) In dem Hymnus, den der Hierophant oder Vorsteher des Heiligtums dem Einzuweihenden vorsang, war dies der erste Aufschluß, der über die Natur der Gottheit gegeben wurde: "Er ist einzig und von ihm selbst, und diesem Einzigen sind alle Dinge ihr Dasein schuldig." (J.R.)

Literatur: Grigat, Die Sammlung Wegeler ..., Bonn 2008, Nr. C2. – Ladenburger, Beethoven und sein Bonner Freundeskreis, Bonn 1998, S. 45-46. – Ley, Beethoven als Freund der Familie Wegeler-v. Breuning, Bonn 1927, S. 101-103

Nachweis: Grigat C2. – L. Nohl, Inventarium des Beethoven'schen Nachlasses, Karlsbad 1864, S. 15

Faksimile des Beethoven-Hauses: Friederike Grigat, Beethovens Glaubensbekenntnis: Drei Denksprüche aus Friedrich Schillers Aufsatz "Die Sendung Moses", Bonn 2008, Jahresgabe des Vereins Beethoven-Haus Bonn, Heft 24


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