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Zacharias Werner, Die Söhne des Tals, Auszug, Autograph Beethovens

W 24

Sammlung Wegeler

Werner, Zacharias
[Die Söhne des Tals - Abschrift]
Die Söhne des Tals, Auszug. – Autograph Beethovens
1815? – 1 Blatt, 2 beschriebene Seiten. – Tinte ; 18,7 x 21,9 cm. – Dt.

Textanfang: "Nicht Fragen, Thaten sollst du spenden"

Das Schriftstück von Beethovens Hand enthält Auszüge aus dem Doppeldrama "Die Söhne des Tals" (mit den beiden Teilen 1: "Die Templer auf Zypern", 2: "Die Kreuzesbrüder") von Friedrich Ludwig Zacharias Werner. Beethoven kopierte aus "Die Templer auf Zypern"; die Textauszüge stammen aus der ersten und zweiten Szene des vierten Aktes. Beethovens Abschrift hebt bestimmte Stellen durch Unterstreichungen und größere Schrift hervor. Ein weiteres Blatt, auf dem sich die Exzerpte aus der zweiten Szene fortsetzen, befindet sich ebenfalls im Beethoven-Haus (BH 57). Beide Blätter bildeten ursprünglich ein Doppelblatt (zuerst W24, dann BH 57). Nach Brandenburg gehörte das (Doppel-)Blatt zu dem Tagebuch, das Beethoven in den Jahren 1812 bis 1818 führte. Der restliche Teil des originalen Tagebuchs gilt seit Mitte des 19. Jahrhunderts als verschollen, sein Inhalt ist jedoch in verschiedenen Abschriften überliefert.

Die Frage nach Beethovens Vorlage für die Abschrift lässt sich nicht vollständig klären. Die Erstausgabe des zweiteiligen Dramas "Die Söhne des Tals" erschien 1803/4 in Berlin (zwei weitere Auflagen 1807/1819 und 1823). "Die Templer auf Zypern" wurde am 15. April 1811 im Wiener Burgtheater mit musikalischen Einlagen von Adalbert Gyrowetz aufgeführt. Möglicherweise gab es Aufführungsmaterialien, die Beethoven zugänglich waren. Die erste Wiener Ausgabe der Templer lag Anfang 1813 vor (innerhalb einer zunächst fünfbändigen, mit Erscheinungsjahr 1813 datierten Sammlung der Wernerschen Theaterstücke bei Johann Baptist Wallishausser, der sich 1815 ein sechster Band anschloss. Rezension des ersten Bandes in: Der Sammler, Wien, 25. März 1813). Schon 1816 folgte eine zweite "durchgängig vermehrte und verbesserte" Wiener Ausgabe bei Leopold Grund (ebenfalls in sechs Bänden), die 1818 nochmals nachgedruckt wurde. Der jeweils erste Band enthält "Die Templer auf Cypern". Keine der zeitgenössischen Ausgaben jedoch lässt sich in Beethovens Nachlass nachweisen. Solomon hält es für möglich, dass Beethoven das Buch bei Therese Brunsvik eingesehen und dort die Abschrift angefertigt haben könnte (Maynard Solomon, Beethovens Tagebuch 1812-1818, Bonn 2005, S. 4).

Ludwig Nohl identifizierte Beethovens Werner-Zitat zuerst und publizierte es (Neue Briefe Beethovens, Stuttgart 1867, S. 97ff und Beethovens Brevier, Leipzig 1870, S. 94-97. In seiner dritten Auswahl-Edition des Tagebuchs [Die Beethoven-Feier und die Kunst der Gegenwart, Wien 1871, S. 52-74] verzichtete Nohl auf die erneute Wiedergabe des Werner-Zitats.) Nohl lag neben dem abschriftlichen Tagebuch auch das autographe Doppelblatt vor. Es befand sich damals im Besitz von Wilhelm Künzel in Leipzig. Nohls Datierung des Tagebucheintrags auf Sommer 1815 ist bisher weder zu verifizieren noch zu widerlegen. Auch Brandenburg (S. 8) hält 1815 als Entstehungsjahr der Abschrift für wahrscheinlich.

Nachdem Carl Wegeler die Beethoven-Handschrift Ende 1913 ersteigert hatte, veröffentlichte er zu Anfang des Jahres 1914 den ihm unbekannten Text in der "Frankfurter Zeitung" vom 27. Januar 1914 unter der Überschrift "Neues von Beethoven" (W 24 Beilage) mit der Bitte um Hilfe bei der Identifizierung. Als Reaktion auf Wegelers Artikel entwarf Max Unger 1922 einen weiteren Aufruf (W 118). Auch er kannte die Herkunft des Textes nicht, obwohl zu diesem Zeitpunkt neben Nohls auch Albert Leitzmanns Edition des Tagebuchs, das Werner-Zitat inbegriffen, vorlag (Albert Leitzmann, Beethovens persönliche Aufzeichnungen, Leipzig 1918, S. 19-22 und Ludwig van Beethoven, Berichte seiner Zeitgenossen, Briefe und persönliche Aufzeichnungen, Leipzig 1921, Bd. 2, S. 250ff.). Das Manuskript ist nicht mehr in Julius Wegelers (1887-1961) Zusammenstellung von Dokumenten der Sammlung Wegeler (W 281) enthalten. Diese bricht mit der Nummer 27 ab.

Provenienz: Familie Wegeler in Koblenz, Karl Ernst Henrici in Berlin (Auktions=Katalog XVII "Autographen von Musikern, darstellenden und bildenden Künstlern. (Darin eine italienische Sammlung.)", Auktion 20.10.1913, Los 19), Wilhelm Künzel in Leipzig (Nohl)

Zugang: 1998, Dauerleihgabe der Julius-Wegelerschen-Familienstiftung

Die romantisch-mythischen Trauerspiele des Dichters und Theologen Zacharias Werner wurden in Wien schon vor 1807 gespielt. Besonders das dramatische Gedicht "Die Söhne des Tals" hatte "ungeheures Aufsehen erregt und alles, was sich mit schöner Literatur beschäftigte, aufmerksam auf den, wie es hieß, noch jungen Dichter gemacht" (Caroline Pichler, Denkwürdigkeiten aus meinem Leben, Wien, 1844, Bd. 1, S. 300). Beethoven hat sich nachweislich etwa über zehn Jahre hinweg mit Werners Werken beschäftigt (siehe Solomon, S. 56 und Brandenburg, S. 10). Ein Beweggrund Beethovens, die Abschnitte aus "Die Templer auf Zypern" zu kopieren, war sicher persönliche Betroffenheit.

"Die Templer auf Zypern" schildert den Niedergang des Templerordens Anfang des 14. Jahrhunderts. Protagonisten der von Beethoven exzerpierten Szene sind der Ordensgroßmeister Molay, sowie dessen Zögling Robert, der sich des Ungehorsams schuldig gemacht hat. Robert soll aus dem Orden ausgestoßen werden, Molay tröstet ihn, indem er Ergebenheit lehrt. Ein Held hat sein Schicksal anzunehmen. Er kann zwar besiegt, aber nicht zerstört werden. Zwei von Beethoven durch Unterstreichungen hervorgehobene Stellen seines Auszugs formulieren Maximen, nach denen Beethoven selbst zu leben trachtete: "Kampf für das Recht und für des Rechtes Tochter, / Die durch's Gesetz verklärte ew'ge Freiheit; / Ergebung in den ungebeugten Willen / Des eisernen Geschicks; Gehorsam und Entsagung, / Und wandelloser Treue bis in's Grab!" (Robert) und "Du bist ein Held - du bist, was zehnmal mehr ist, / Ein ächter Mensch! ... / Mein starker Robert! - nur des Schwächlings Saiten / zerreißt der Eisenfinger des Geschicks; / Der Heldenmüth'ge bietet kühn die Harfe, / die ihm der Schöpfer in den Busen legte, / dem Schicksal dar. - Mag's in den Saiten wühlen; / Allein den innern herrlichen Accord, / Kann's nicht zerstören, und die Dissonanzen / Verschmelzen bald in reine Harmonie, / Weil Gottes Friede durch die Saiten säuselt. / Mein starker Robert! - Muss der starke Mensch / Erliegen oder auferstehn vom Staube?"

Nicht ausschließen darf man die freimaurerischen Implikationen von Werners Stück. Sie sind auch in der Handlung vorgegeben, insofern als eine der maurerischen Ursprungstheorien die Entstehung des Geheimbundes aus dem Templerorden herleitete. Im Zusammenhang mit weiteren literarischen und religiösen Zitaten im Tagebuch spiegelt Beethovens Werner-Abschrift seine transzendentalen Vorstellungen von Glück, Moral und Brüderschaft, wie sie auch das Freimauererideenkonglomerat aus älteren Traditionen vermittelte. (Maynard Solomon sieht in diesen Einträgen eine Parallele zu den Bekenntnistagebüchern, wie sie von Kandidaten des Illuminatenordens überliefert sind. Siehe Solomon, Beethoven, Freemasonry, and the Tagebuch of 1812-1818, in: Beethoven Forum 8 (2000), ab S. 128.) Ein gut datierbarer Hinweis auf Werner findet sich in Beethovens Konversationsheft vom Dezember 1819 (Ludwig van Beethovens Konversationshefte, Bd. 1, Leipzig 1972, S. 172). Es bleibt jedoch offen, über welches Stück von Werner gesprochen wurde, als Carl Bernard, der den umstrittenen Dichter verehrte, die Stichwörter notierte: "Wegen Werner, wenn Sie ihn in Musik setzen sollten? Ist die Frage". Trotzdem ist nicht auszuschließen, dass Beethovens auszugsweise Abschrift, wie andere literarische Auszüge im Tagebuch auch, im Hinblick auf eine Vertonung entstand. (F.G.)

Literatur: Grigat, Die Sammlung Wegeler ..., Bonn 2008, Nr. C1. – Ladenburger, Beethoven und sein Bonner Freundeskreis, Bonn 1998, S. 46. – Ley, Beethoven als Freund der Familie Wegeler-v. Breuning, Bonn 1927, S. 99-102

Nachweis: Grigat C1

Faksimile des Beethoven-Hauses: Brandenburg, Ludwig van Beethoven. Zwei Blätter aus seinem Tagebuch, Bonn 1992


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